Die Menschen wollen das Geheimnis des Lebens enträtseln.                           

Mir aber macht erst das Geheimnis des Lebens 

das Leben schön und lebendig.

Aus Alfred Kubin "Die andere Seite

 

(…)Die Bilder der Malerin Mona Fischer präsentieren unterschiedliche Formen der Abstraktion. Dennoch sind sie nicht zufällig. Stets gibt es ein konstruktives Element, das sich im gestalterischen Prozess mit der Spontaneität des Schaffens und der Emotionalität der Farben verbindet. Ihr Interesse gilt genau diesem Schnittpunkt, der sich zwischen gestalterischer Absicht und künstlerischer Autonomie lokalisieren lässt. Dabei entstehen Bildkompositionen, deren Gefüge aus unterschiedlichen Materialschichtungen, Farbkontrasten, aleatorischen Prozessen und expressivem Malgestus erwachsen.

Aus ´Volker Damisch: Die Künstlerin Mona Fischer`, 2009

 


Bilder von der Zeit danach                                                                                                                                          

(…)Bilder aus ihrer jüngsten Werkphase hat Mona Fischer für den vorliegenden Katalog ´Im Jahre acht nach T.` thematisch zusammengefasst zu einem Zyklus von faszinierender Suggestivkraft.  In den Bildtiteln verweisen Jahresangaben wie 01 n.T., 02 nT., 03 n.T. usf. auf die neue und zukünftige Zeitrechnung der Künstlerin nach dem Supergau von Tschernobyl am 26. April 1986.

Jedes einzelne Bild eröffnet dem Betrachter Einblicke in ein Szenario, das – bei aller phantastischen Wirklichkeitsferne – unmittelbare landschaftliche Assoziationen freisetzt. Die Gliederung dieser Bilder ist wesentlich geprägt durch die Schichtung der Bildebenen, die zuweilen durch einen vage angedeuteten Horizont als Landschaftsräume kenntlich werden. So entsteht eine Tiefendimension, die den Blick sogartig an – und in das Bildgeschehen hineinzieht. Das scharfe Helldunkel und die lodernde Farbigkeit tun das ihrige, um dieser Tiefe eine fast greifbare Wirklichkeit zu verleihen. Erinnerungen an Beispiele der frühen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts werden wach, wo sich, um Ferne anzudeuten, im Mittelgrund schroffe blaue Felsgebilde formieren und die Grenze zwischen Himmel und Erde in der dunstigen Weite aufgehoben erscheint.                                                                

Der Stoff, aus dem in Mona Fischers Malerei Landschaften regelrecht geronnen sind, scheint nicht aus dieser Zeit zu stammen. Zerklüftete Höhlen, verhangen von zerlaufenden Schleiern, werden scharf kontrastiert von Lichtbahnen, deren Energie aus archaischer Tiefe aufsteigen. Am Horizont, jenseits des desolaten Terrains, deuten giftige Farbfetzen ungeahnte Katastrophen an. In dieser Malerei offenbart sich Landschaft als Schauplatz apokalyptischer Visionen; wie Variationen des immer gleichen, beklemmenden Alptraums nehmen abgrundtiefe Ahnungen Gestalt an.Gold- und Kupferspuren wirken wie von einer außerirdischen Gewalt auf das Bildfeld geschleudert. Immer schon schrieb man Metallen, ob ihrer vielfältigen Eigenschaften und Erscheinungsformen, mit Vorliebe mythologische und religiöse Kräfte zu; man setzte sie in Beziehung zu Planeten, Temperamenten und Epochen und entwarf aus ihnen ganze alchimistische Kosmologien.

Das kostbarste, alle anderen überstrahlende Metall ist das Gold, das in sich eine oszillierende Fülle symbolischer und allegorischer Bedeutungen vereinigt; Gold reizt die Sinne, man möchte es haben, berühren; allein durch seine Beschaffenheit verkörpert es Vorstellungen von Wert und Dauer; der Glanz seiner Haut macht es zur Reflexionsfläche des Lichtes, welches sich im Gold auf reinste Weise entmaterialisiert; in fast allen religiösen Zusammenhängen steht Gold schließlich für das Paradies, sein Leuchten macht die Totalität der Welt sinnlich und anschaubar. Dabei wohnt dem Gold eine große Widersprüchlichkeit inne: Denn auch Neid und Habgier, und daraus resultierende Gewalt und Ausbeutung von Mensch und Natur geschehen inseinem Zeichen. Über die bekannte Symbolik hinaus entfaltet das Gold in Mona Fischers Arbeiten eine selbstständige, bildimmanente Wirkung. Von mattem Schimmern steigert sich seine Ausdruckskraft stellenweise zu geradezu barocken Ausbrüchen. Sein Glanz erweckt diese Bilder zu einem seltsam kalten, unnatürlichen Leben. Kreatürliches Leben hingegen existiert hier nicht – höchstens als schemenhafte Erinnerung an eine Zeit, die lange vor diesen Bildern vergangen sein muß. Zwar tauchen vexierbildartig immer wieder Gestalten aus der dämmrigen Umgebung auf – verkümmerte Wesen, die sich weder als Mensch, noch als Tier eindeutig zu erkennen geben. Kaum aber hat das Auge eine solche mutantenhafte Figur fixiert, scheinen deren Konturen wieder mit dem toten Material des Umraumes zu verschmelzen.                                                       

Erschreckend präsent erscheint die Vorstellung eines Universums ohne Natur, Wachstum und Veränderung. Denn bei aller visionären Entrücktheit beschwören diese Bildwelten sehr eindringlich die Dystopie von einer entmenschten Erde, die sich urzeitlich langsam mit neuen Lebensformen zu füllen beginnt.

Worauf sich die letzte Feststellung bezieht, bleibt ungewiß, vielleicht ist sie auch nur getroffen, um nicht der Sprachlosigkeit, der stummen Verzweiflung entgültig anheimzufallen. (aus Peter Rosei: Entwurf für eine Welt ohne Menschen.)

Dr. Sabine Schütz, 1993, Textauszüge aus dem Katalog: Mona Fischer „Im Jahre acht nach T.“

 

 

In mir und über mir

 

Sich in die Bildwelt von Mona Fischer  hineinzubegeben bedeutet, sich auf ein großes Abenteuer einzulassen. Es ist ein Seh - Abenteuer, das uns in finster leuchtende Apokalypsen, in wuchernde Collagen, aber auch poetisch verspielte surreale Traumlandschaften mitnimmt oder in seiner gestischen Dynamik geradezu mitreißt.  Zuweilen lässt es uns allerdings stocken, wenn wir unseren Assoziationen freien Lauf lassen, während wir immer tiefer in das furiose Konstrukt  von abstrakten Formen und gegenständlichen Visionen einsteigen.

Mona Fischer füllt die Torhausgalerie mit Bildern aus unterschiedlichen Schaffensphasen und in verschiedenen Techniken.  Ihre künstlerische Arbeit begreift sie im einzelnen aber auch im ganzen als lebendigen Prozess, ja, als ihren Lebensprozess, in dem das eine aus dem anderen erwächst.

Darum auch ist es ihr wichtig, hier in Braunschweig auszustellen. Hier, wo sie ihre künstlerischen Wurzeln ausgebildet hat. Das war in den 70er Jahren, als sie noch bei Siegfried Neuenhausen und als Meisterschülerin bei Roland Dörfler an der HBK studierte. Eine Zeit, in der es selbstverständlich schien, gesellschaftskritische Positionen einzunehmen, eine Haltung und eine Überzeugung zu haben. Es ging um Emanzipation im weitesten Sinne, auch um dezidiert linke Positionierungen.  Mona Fischers politisches Engagement verwirklichte sich programmatisch in Gruppen und Kooperativen wie der Künstlergruppe Rea-Prax (Realistische Praxis) oder der Galerie KK (Kunstkooperative Braunschweig). Eine Produzentengalerie, die sich politisch engagierten Positionen widmete. (Sie ging übrigens später in den Konsumverein über).

Damals setzte  sie  sich malerisch und manchmal auch fotografisch in karikaturhaft überspitzten Satiren und im Stil des kritischen Realismus mit der Gesellschaft auseinander.

Die darin sich ausdrückenden Träume und Visionen,  das Aufbegehren und die Kritik, zugleich die Aufbruchsstimmung,  sind inzwischen weitgehend aus der Gesellschaft weggeräumt. Das aus der Kritik gewonnene hoffnungsvolle Schauen auf eine bessere Welt, die möglich schien, ist seither einer skeptischen, ja, vielfach furchtsamen Haltung gewichen.

Für Mona Fischer kam der Einschnitt mit der epochalen Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986. Dass alles nicht bloß vergänglich ist, sondern durch Entfesselung der menschlichen Fähigkeiten zur Zerstörung der Lebensgrundlagen führen kann, wurde durch dieses Ereignis vielen Menschen offenbar. Mona Fischer beschriftete danach  ihre Bilder eine zeitlang mit n.T. = nach Tschernobyl.

Ihre künstlerische  Sprache veränderte sich hin zu offeneren Formen. Sie wählte große Formate und experimentierte mit aleatorischen Verfahren. Ihre Bilder entwickelte sie nun in sich überlagernden Prozessen des Auftragens und wieder Veränderns, wobei sie sich mit dem Zufall  einließ. Nach der Grundierung mit Acrylfarbe, ist es das Abspachteln mit großen Rakeln, das den Bildern ihre explosive Form und kristalline Wirkung gibt. Motive, die sich während der Arbeit auf der Bildfläche zeigen oder dabei im Kopf entwickeln, arbeitet sie nun heraus und lässt sie doch im Ungewissen beinahe wieder verschwinden.

So  entstehen im Prozess erkämpfte vitale Bildexistenzen, die ein Fenster in eine endzeitliche Landschaft zu öffnen scheinen.

Wie Caput mortuum n.T. 1991:

Zunächst erfasst den Betrachter Orientierungslosigkeit ob der kristallinen Vielfalt und gestischen Wucht dieser düsteren Vision. Assoziationen bilden sich:  zerstörtes Land. Landschaft - ja – trotz aller Zerrissenheit sichtlich komponiert. Eine Art See etwa, der im Hintergrund bläulich leuchtet, Raum bildet. Daneben Brand und Zerstörung. Felsartige Zerklüftungen.  Im Zentrum eine erstarrte Explosion wie von ausgestoßenen Lavasträngen. Bizarre, filigrane und zugleich monströse Blattspitzen schießen nach oben. Es ist, als seien die apokalyptischen Reiter schon vorbeigestoben. Oder sieht man noch ihre Hufe? Und plötzlich  dann die zerrissenen Leiber. Stürzende. Oder eher eine Ahnung davon.

Und dann die Farbe: caput mortuum, nicht nur Totenkopf, auch Blutfarbe, geronnenes Blut auf Erdfarbe. Dagegen nachtblau beleuchtete Dunkelheit. Am Rand - kein Ende. Unendlichkeit.

Die 7 Posaunen wurden geblasen und die 7 Engel sind herabgestiegen. Dies aber scheint  eine Apokalypse ohne Hoffnung auf Erlösung.

Die Endzeit-Mythen wie die Johannes-Apokalypse oder auch Dantes göttliche Komödie – in dem Gemälde "Vorhof" - haben die Künstlerin sichtlich inspiriert. Und ebenso  ist ihr inneres Museum Inspirationsquelle. Als wären unter den Malschichten noch die verwüsteten Trichterfelder von Otto Dix vergraben, die Landschaften von Brueghel und die surrealen Erfindungen düster leuchtender Wälder von Max Ernst.

 

Alle großen Erschütterungen der Weltgeschichte wurden von Künstlern mit Bildern alptraumhafter Visionen begleitet, die apokalyptischen Charakter hatten. Heute vermitteln uns die Medien täglich Bilder der von  Menschen gemachte Katastrophen...Mona Fischers "n.T."  Das kann heute ebenso nach dem Golfkrieg, nach Mossul, nach Alleppo oder während im Mittelmeer  Flüchtlinge ertrinken bedeuten. Insofern sind diese faszinierenden visionären Endzeitbilder auch ganz gegenwärtig.

 

Collagen

Wie zum Trotz arbeitet Mona Fischer weiterhin an ihren frechen und komplexen Collagen, die in ihrer Machart noch etwas von Heartfield, Schwitters, Hannah Höch bewahren, etwas Widerständiges. Manche der Objekte – wie "Global players" – sie haben die Welt im Griff -  wurden durch ruppige Übermalungen in Richtung einer emotionalen Wirkung zerstörend und verstörend verstärkt. Teils sind es beißende Zeitkommentare, teils Reflexionen der eigenen Lebensgeschichte, wie man bei näherer Betrachtung der zusammengefügten Teile herausfindet. 

 

Monotypien

Und dann die MONOTYPIEN – Einmaldrucke von einem malererisch oder durch eingefärbte Materialien vorbereiteten Druckstock. Manchmal in zwei unterschiedlichen Fassungen vom selben Material. Ein ungewisses, aber gesteuertes aleatorisches Experiment. Selbst beim genauen Hinschauen ist es nicht leicht, ihr Gemachtsein zu rekonstruieren. Was sich da alles in die Idee einer neu erfundenen Natur verwandelt, ob das Blatt, der Vogel die schwebenden Figuren einst Seidenpapier, Stoff, Ast  oder einfach Farbspur waren.

Gegenüber den malerischen Werken, die mit unglaublicher Wucht gemacht erscheinen, haben die Monotypien etwas Leichtes, Zartes, Filigranes. Es sind poetische Zauberländer,  in denen etwas Utopisches gerettet erscheint. Eine Art "erhoffte Vergangenheit", wenn man etwa den Titel "Treibsand der Geschichte" hinzunimmt.

 

"IN MIR UND ÜBER MIR" – was meint der Titel der Ausstellung? Es ist ein Verweis auf die berühmte Sentenz aus Kants  "Kritik der praktischen Vernunft" :

 

"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt:

der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“

 

Eine anspruchsvolle Leitfigur, in der die Integrität der Innenwelt eines Menschen in Bezug zur Unendlichkeit des Seins gesetzt wird. Vielleicht eher als Frage, denn als Anspruch gemeint.

"Woher, wohin (Lost in Blue)" von 1999 zeigt uns vielleicht diese fragende Malerin nackt, verletzlich in einem teils transparenten Farbraum. Ein Blau aus Pinselgesten, Schlieren, tropfender Farbe, sodass die Figur nur noch hindurchscheint. Ein Rechteck, fensterartig. Dunkle Fetzen daran, von lichten weißen Flächen durchdrungen.  Dort ein überstrahlendes Weiß – wie Licht, das das Dunkle erhellt, Klarheit bringen könnte. Das ist für mich das Bild, das dieses Motto interpretiert. Das verletzliche Ich, das unendliche Blau und ein Stück vom Licht der Erkenntnis.

 

Margot Michaelis zu einer Ausstellung im BBK Braunschweig am 09.03.2017

www.margot-michaelis.de